Dienstag, 9. Mai 2006
4. Veranstaltung: Teamrooms: Theoretische Grundlagen
Einleitende Bemerkungen

Communities, und damit Instrumente zur Kollaboration, werden immer wichtiger. IT und ICT (Information and Communication Technology; Definition von ICT siehe hier) ist in den letzten Jahren zum Hypethema geworden und gewinnt auch heute noch tagtäglich an Bedeutung. Gartner schätzt (mit einer Wahrscheinlichkeit von 0.6), dass um das Jahr 2010 herum rund 70% der Bevölkerung in entwickelten Ländern pro Tag 10 mal länger (!) elektronisch als physisch kommuniziert. Ausserdem rechnet Gartner mit einer bedeutenden Entwicklung neuer Kollaborationwerkzeuge in den nächsten Jahren. Die neu entwickelten Tools befinden sich dann allerdings jeweils in einem jungen Stadium und müssten weiterentwickelt werden, bis sie – in ihrer Reifephase – produktiv eingesetzt werden können.

Es gilt, zwei Aspekte von e-Collaboration auseinanderzuhalten: Wir befassen uns in unserem Kurs mit "Collaborative Workplaces", also mit Instrumente, welche die Zusammenarbeit von Menschen unterstützen. Hier geht es um die Arbeitsprozesse in virtuellen Projektteams. Von zentraler Bedeutung ist beispielsweise die Frage, wie ein Projektmitglied in New York mit einem anderen Projektangehörigen in St.Gallen relevante Dokumente austauschen, das Projektvorgehen über Internetkonferenzinstrumente besprechen, Projektwissen strukturieren etc. kann. Hingegen bezeichnet "Business Collaboration" (siehe hierzu eine PowerPoint-Präsentation von Prof. Hubert Österle, Professor an der Universität St.Gallen und CTO der IMG AG), oder - um mit SAP zu sprechen - "Collaborative Business" netzbasierende Lösungen, welch ein Echtzeit Geschäftsprozesse zwischen zwei oder mehreren Unternehmen koordinieren. Dieser Aspekt kommt etwa dann in Betracht, wenn zwei Unternehmen ihre Wertschöfpungsketten aufeinander abstimmen müssen. Im Gegensatz zur Zusammenarbeit von Menschen geht es hier um die Zusammenarbeit oder Vernetzung von Unternehmen.

e-Collaboration meint hingegen immer die menschlichen Abläufe und nicht die Tools selbst, denn (Workplace) e-Collaboration ist keine Technologie, sondern "the computer mediated process of two or more (dislocated) peeople working together on a common purpose or goal, where the participants are committed and interdependent and work in a common context using shared resources, supported by (web-based) electronic tools" (Mayrhofer & Back, 2004, S. 7).

Andreas, ein Kommillitone in meinem Kurs, hat ein interessantes Paper der Task Force KMU gefunden, welches die Bedeutung von e-Collaboration für Klein- und Mittelunternehmen evaluiert.

Das Referenzmodell des St.Galler Business Engineering



Quelle: Mayrhofer & Back, 2003, S. 8

Wie dieses Referenzmodell deutlich zeigt, sollten bei Workplace e-Collaboration nicht nur ICT-Systeme und -Technologien im Vordergrund stehen. Die einzelnen Tools sind zwar wichtig, doch dürften auch die Vision und Strategie wie auch die Methoden und Prozesse nicht unberücksichtigt bleiben. Die Vision und Strategie geben Antwort auf die Frage, was man sich von den einzelnen Instrumenten verspricht. Es geht mit anderen Worten um die Ziele und den Zweck des Einsatzes von ICT-Systeme und -Technologien. Bei den Methoden und Prozessen steht die Frage im Vordergrund, wo die Anwendungsbereiche der Tools liegen. Ferner darf das Change Management (siehe Definition bei Wikipedia) nicht vergessen werden, da sich Strategien, Prozesse und Systeme/Technologien ändern können und deshalb neue Anpassungen vorzunehmen sind. Zuletzt bleibt zu beachten, dass dies alles in organisationale und kulturelle Rahmenbedingungen eingebettet ist.

Raster mit typischen Funktionen von e-Collaboration Tools

Mayrhofer und Back (2003) klassifizieren die Instrumente anhand zweier Kriterien, nämlich (1) anhand des Ausmasses an Content Management Unterstützung (Storage, retrieval, versioning, etc.; structured storage of data; no content managment support) und (2) anhand des Ausmasses der Interaktion innerhalb des Unterstützungsprozesses (coordination; cooperation; communication). Im Grossen und Ganzen bilden sich zwei Cluster heraus: Zum einen sind dies die virtuelle Teamräume, zum anderen die Web-Conferencing Tools. Man könnte als dritte Typologie auch die Instant Messaging Tools separat aufführen.



Im Folgenden soll auf diese drei Tools näher eingegangen werden.

1. Teamrooms

Virtuelle Teamräume (engl. virtual teamrooms) können definiert werden als "‹light› web based grupware … [that] focus on the coordination activities within a team, by providing team calendars, address books, task lists, discussion boards as well as some possibilities for exchanging documents"(Mayrhofer & Back, 2003, S. 19). Bekannte Teamrooms sind beispielsweise Lotus QuickPlace oder eRoom.net. Im Vordergrund steht der Wissensaustausch, welcher meistnes in geschlossenen Benutzergruppen (z.B. innerhalb einer Unternehmensabteilung) stattfindet. Teamrooms oder Project Spaces bieten allgemein die Möglichkeit, eine Vielzahl von Informationen, Daten und Dokumenten auf einer (webbasierten) Plattform zu speichern und zu verwalten. Dazu gehören unter anderem ein Gruppenkalender, eine Aufgabenliste, ein Adressbuch, teilweise ein (kleineres) Project Management Tool, ein Diskussionsforum, teilweise E-Mail-Access, … Eingesetzt werden Teamrooms für unternehmensinterne oder unternehmensübergreifende Projektteams, für Knowledge Networks oder andere, informelle Netzwerke oder innerhalb von Communities.

2. Instant Messaging

Wer kennt sie nicht, die Instant Messaging (IM) Produkte wie MSN Messenger, ICQ oder Skype…? Diese Tools dienen der synchronen Kommunikation und überbrücken die Lücke zwischen E-Mail und Telefon. Sie zeigen an, welche der verknüpften Benutzer zur Zeit gerade online sind, welche nicht gestört werden möchten und welche abwesend sind. Falls jemand online ist, so kann diesem Benutzer eine Kurzmitteilung geschrieben werden, die er aber – anders als im Falle von E-Mails – nicht abzurufen braucht, sondern die als PopUp-Fenster auf seinem Bildschirm erscheint. Nicht nur der Versand von Textnachrichten ist möglich: Auch können ganze Sprachnachrichten oder Dateien versendet werden, und zudem bieten viele Tools heute die Möglichkeit, über VoIP Telefongespräche (ggf. sogar mit Videofunktionalität) zu führen. IM kann, wenn unternehmensintern sinnvoll eingesetzt, zu Produktivitätssteigerungen führen (eine gute Applikation für die unternehmensinterne synchrone Kommunikation bildet Lotus Sametime). Beispielsweise ist es so einem Mitarbeiter möglich, einem Arbeitskollegen eine kurze Frage zu stellen (sofern der erste Mitarbeitende im IM-System angemeldet ist), ohne ein Mail verfassen zu müssen und ohne längere Zeit – oftmals einige Stunden – auf die Antwort warten zu müssen. Allerdings können solche Unterbrüche, wie Prof. Dr. Andrea Back auch deutlich betont hat, zu Produktivitätseinbussen führen, nämlich dann, wenn ein Mitarbeitender in seinem Arbeitsrhythmus durch Text Messages von anderen Arbeitskollegen unterbrochen und somit gestört wird. Diesem Problem tragen die Instrumente insofern Rechnung, als dass auf ihnen verschiedene Status angewählt werden können (z.B. Online, Verfügbar, Abwesend, Am Telefon, Beschäftigt, …).



Es versteht sich von selbst, dass durch diese Anwendungen sich erhebliche Einsparungen erzielen lassen. So kann ein Skype-Benutzer mit jedem anderen Skype-Benutzer kostenlos telefonieren (und erst noch mit Video, sofern mindestens einer über eine Webcam verfügt). Telefonate sind aber auch ausserhalb Skype zu sehr günstigen Preisen möglich: Ein Telefonat von der Schweiz aus, welches der Anrufende über Skype führt, auf irgendeine Festnetznummer in den USA, kostet gerade einmal 1.7 Eurocent (Stand: 08.05.2006). Auf die weiteren Vorteile von Skype werde ich in meiner Reflexion zur 4. Veranstaltung näher eingehen.

Schwierigkeiten bereitet den Unternehmen allerdings der Aspekt der Datensicherheit. Ein Unternehmen muss sicherstellen können, dass vertrauliche Informationen wie etwa Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse nicht durch Sicherheitslücken in den Programmen selbst oder durch den unverschlüsselten Datenverkehr dritten zugänglich sind.

3. Live Conferencing Software

Live Conferencing (oder Web Conferencing; siehe hier die Definition bei Wikipedia) Tools gibt es schon seit geraumer Zeit. Doch war die Nachfrage nach Live Conferencing Software insbesondere nach 9/11 und der SARS-Epidemie (weitereführende Informationen hier auf den Seiten der WHO) besonders gross, da nur noch wenige Geschäftsreisende bereit waren, Flüge zu buchen (nach 9/11) oder epidemisch gefährdete Länder zu besuchen (im Falle von SARS). Da aber die Geschäftsaktivitäten dennoch aufrechterhalten werden mussten, half man sich mit webbasierten synchronen Kommunikationsinstrumente, so eben auch mit Conferencing Software, weiter. Ganz einfach erklärt ermöglicht es eine solche Software zwei oder mehreren entfernten Personen, zusammen eine Sitzung abzuhalten oder eine Präsentation durchzugehen. Hierfür lassen sich PowerPoint-Präsentationen gemeinsam abspielen und durchklicken. Weitere Features sind in der Regel Voice Chat, Video, Text Chat, Datenaustausch und Attendee List. Der oder die Moderator(in) führt folglich mittels Live Conferencing Software eine Präsentation durch, wobei die Präsentationsteilnehmer die Präsentationsfolien auf ihren Bildschirmen eingeblendet sehen. Über Mikrofon und Webcam hören und sehen die Teilnehmer(innen) den oder die Moderator(in). Bekannte Live Conferencing Produkte sind unter anderem Microsoft Office Live Meeting, Interwise Enterprise Coomunication Plattform, Macromedia Breeze, Lotus Sametime und Saba Centra Conference.

Die zukünftige Relevanz von Live Conferencing Tools wurde von Gartner aufgezeigt: Danach sollen im Jahre 2008 Softwarelösungen für internetunterstützte Konferenzen von mehr als 40% der Geschäftsleute benutzt werden.
Über den Nutzen und die Sinnhaftigkeit von Live Conferencing Software gehe ich in meiner Reflexion (nachfolgender Beitrag) weiter ein.

Fazit

Es gibt mehrere Instrumente, welche die zukünftige Zusammenarbeit von Menschen unterstützen. Hierzu gehören erstens Tools im Bereich der Kommunikation wie beispielsweise E-Mail, Chat, Webkonferenzen, VoIP etc., zweitens Tools für die Koordination wie etwa Kalender, Aufgabenlisten, elektronische Formulare etc. und drittens Features von Shared Workspaces wie z.B. Diskussionsforen, schwarze Bretter, Umfragen, Datenaustauschplattformen, Wikis etc. (Gartner, 2005). Dabei wird die Bedeutung dieser Instrumente in Zukunft noch zunehmen.

Quellen

Gartner (Hrsg.). (2005). Cannes Conference 11/2005: Emerging Collaborative Trends and Technologies.
Mayrhofer, D. & Back, A. (2003). Workplace E-Collaboration. Theoretical Foundations and Practical Implications. Arbeitsberichte des Learning Center der Universität St.Gallen.

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